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Für Israel! Für einen freien Iran! Gegen Antisemitismus!

Heute demonstrierten mindestens 200 Menschen gegen den Al Quds Tag und zogen in einer antifaschistischen Demonstration unter dem Motto Gegen Antisemitismus und Islamismus! Solidarität mit Israel! über den Kurfürstendamm.

Der Al Quds Tag wird am letzten Tag des Fastenmonats Ramadan als iranischer Nationalfeiertag begangen. Nach der islamischen Revolution schufen die Mullahs um Ayatollah Khomeini einen anti-israelischen Kampftag, der immer wieder in antisemitische Tiraden weltweit mündete. Besonders perfide ist, daß die Mullahs mit der Verküpfung von Ramadan und Antizionimus religiöse Pflichten an einen politischen Imperativ knüpfen. Hinzu kommt, daß der Al Quds Tags insbesondere von der sogenannten Quds AG als Feiertag für Frieden und Gerechtigkeits inszeniert wird. Die Ideologie ist allerdings eine kriegerische – schließlich wird die Eixtenz des Staates Israel problematisiert und eine Befreiung von der „zionistischen“ Besatzung gefordert. Statt einem Antikriegstag, wie Anti-Imp- und islamistisch fundamentalistische Spektren den Al Quds Tag verklären, wird die potenzielle Vernichtung gefeiert.

In Berlin wollten heute Islamist_innen unter dem Motto „Gemeinsam gegen Zionismus und Antisemitismus“ auf die Straßen gehen. Bewußt wird selbst im Aufruf zum Marsch jeder Bezug zum Staat Israel vermieden und von vermeintlichen „Verbrechen des zionistischen Regimes“ (oder alternativ des „zionistischen Besatzungsregimes“) fabuliert und eine Intervention „für den Zusammenhalt der Menschheit als eine Weltgemeinschaft, gegen die Aufhetzung der Völker gegeneinander“ gefordert. Und um dem noch die Krone aufzusetzen wird folgendes erklärt:

Rassismus, Antisemitismus, Faschismus, Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie haben bei uns keinen Platz !!!!

In Duisburg, wo selbst die Linkspartei antisemtische Propaganda verbreitet und Antifaschismus mit einem positiven Bezug zu deutschem Kapital, Lohnarbeit sowie der Nation vereinbar ist, gibt es zwar keine Demonstration, aber gefeiert wird trotzdem in illustrer Runde. Neben religiösen Fundamentalist_innen mit Hang zu Vernichtungsphantasien ist in diesem Jahr der homophobe Ahmadinedschad-, kriegerische Gaddafi-Freund sowie der nationalrevolutionäre Querfrontler Jürgen Elsässer mit von der Partie. Angekündigt werden übrigens „Vorträge und Berichte über den aktuellen Zustand Palästinas und Al-Quds“.

Der Protest des Bündnisse Gegen den Al Quds Tag richtet sich explizit und sichtbar gegen die im iranischen Feiertag implizite Vernichtung des Staates Israel. Bei der Auftaktkundgebung am Wittenbergplatz wurde deshalb in mehreren Redebeiträgen auf den Hintergrund des Al-Quds-Tag hingewiesen. Genauso wichtig war aber auch, wie der Redebeitrag der Emanzipative Antifaschistische Gruppe Pankow bewies, das die (insbesondere am heutigen Tag geforderte) Israelsolidarität keine Ensolidarisierung mit den komplexen Konflikten und sozialen Kämpfen im Nahen Osten und in Israel bedeutet. Außerdem wurde in mehreren Beiträgen auf antimuslimische Ressentiments in den westlichen Gesellschaften hingewiesen, die nicht selten kulturalistische Klischees und generalisierende Zuschreibungen reproduzieren. Die Rede eines iranischen Aktivisten war besonders beeindruckend und in seinen emanzipatorischen Forderungen am direktesten.

Die Antifaschistische Demonstration startete circa 13:30 Uhr. Mindestens 200 Menschen zogen mit zahlreichen Transparenten und Israelfahnen vom Wittenbergplatz auf dem Kurfürstendamm in Richtung Adenauerplatz, wo sich ab 14 Uhr die Islamist_innen und Antizionist_innen treffen wollten. Die zahlreichen Tourist_innen auf der westberliner Flaniermeile waren etwas irritiert, wurden aber durch Flyer und Lauti-Ansagen über den Zweck der Demonstration informiert. Vereinzelt gab es Applaus von Passant_innen, die wohl auch auf den israelischen Pop reagierte.

Die erste Zwischenkundgebung fand am Breitscheidtplatz statt. Erwähnenswert ist hierbei der Redebeitrag der Autonomen Neuköllner Antifa (a.n.a.) zur begrifflichen Bestimmung rassistischer und chauvinistischer Diffamierung von Muslim_innen und Araber_innen. Interessant war vor allem die diskurshistorische Einordnung des Begriff der Islamophobie als Konstruktion Islamistischer Gruppen und vor allem des Mullahregimes im Iran. Trotz der guten Analyse des Phänomens und der Einordnung in Ausgrenzungsdiskurse bin ich aber skeptisch, ob die Kategorie „antimuslimisches Ressentiment“ sprachlich nicht zu schwach und zu offen ist. Ein Ressentiment beschreibt eher Klischees, Vorurteile oder Zuschreibungen. Der Diskurs um die Ausgrenzung des „Fremden“ und die Konstruktion des grundsätzlich vermeintlich auszusondernden „Anderem“ sowie verschwörungstheoretische und paranoide Diskurse werden durch das „antimuslimische Ressentiment“ nicht thematisiert, gehören aber zwangsläufig zum Phänomen. Das heißt, der Umgang mit antimuslimischer „Hetze“ und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Anspruch nach antiislamischer Religionskritik muß auch theoretisch weiter gehen.

Beim Marsch der Islamist_innen waren wohl, wie bei indymedia und hier zu lesen ist, circa 750-800 Menschen, die vor allem Israel beschimpften. Das Zeigen der Hamas Flagge führte offenbar zu kleineren Rangeleien. Außerdem war von der so oft beschworenen palästinensischen Einigkeit selbst auf einer anti-israelischen Veranstaltung wenig zu sehen. Der Konflikt rivalisierender Gruppen soll auf Höhe der Gegenkundgebung (Ecke Ku’damm / Joachimsthalerstraße) eskaliert sein. Die Konfrontation mit den 400 Gegendemonstrant_innen und Tod-den-Juden-Parolen scheinen die Kontrahent_innen aber wieder versöhnt zu haben.

Der Verlauf und die Verknüpfung antiisraelischer mit antisemtischen Parolen, die von den Organisat_innen eigentlich verhindert werden sollten und danach zu Distanzierungen führte, zeigt, daß ein Engagement gegen islamistischen Fundamentalismus Teil antifaschistischen Engagements sein muß. Allerdings, ob zur Solidarität mit Israel auch die Staatsinsignien notwendig sind, bleibt für mich fraglich. Die Solidarität mit Israel sollte sich auf Antisemitismus konzentrieren und nicht nationalstaatliche Isnzenierungsmuster reproduzieren. Am Anliegen ändert die Absenz von Nationalflaggen wenig. Israelische Präsenz durch Pop und Sprache ist aber umso wichtiger, da dies für ein vitales (Über-) Leben angesichts der Shoa und der Bedrohung der Existenz von israel_innen steht!

Positiv zu erwähnen ist außerdem, daß die Islamist_innen in Berlin weitestgehend unter sich blieben. Die üblichen palästinasolidarischen Anti-Imps hatten sich am Al-Quds-Marsch scheinbar nicht beteiligt. Die differenzierte Auseinandersetzung mit antimuslimischen Konstruktionen und die Distanzierung von nationalpopulistishen Diskursen bei der Antifaschistischen No-Al-Quds-Tag Demo sind, wie schon weiter oben erwähnt, wichtig und notwendig! Leider war die Beteligung und die Vernetzung mit iranischen Initiativen bei den Gegenprotesten relativ gering. Schade. Dennoch würde ich von einem Erfolg sprechen – schließlich intervenieren die Islamist_innen nun schon selbst gegen Antisemitismus, selbstverständlich nicht ohne Antizionismus zu befördern.

Fotos gibt es auf dem Blog des Bündnis gegen den Al Quds Tag, von Thomas Rassloff und hier

2 Comments

  1. autor_in

    Kurz ein paar Anmerkungen bezüglich des Redebeitrags der ANA…

    In deinem Demo-Bericht heißt es: „Ein Ressentiment beschreibt eher Klischees, Vorurteile oder Zuschreibungen.“

    Das ist nicht korrekt. Ein Ressentiment ist etwas grundlegend anderes als ein Klischee oder ein Vorurteil. Unsere gesamte Sicht der Welt würde zusammenbrechen, könnten wir diese nicht unter Zuhilfenahme von Vorurteilen ordnen. Vorurteile dienen als Orientierungshilfe. Vorurteile können richtig sein, sie können falsch sein, sie können positiv oder negativ konnotiert sein, sie können diskriminierend oder überhöhend wirken und sie können durch konkrete Erfahrungen bestätigt oder revidiert werden. Kurz: Vorurteile beziehen sich auf das (erwartete) Verhalten einer Person bzw. auf ihr Handeln.

    Das Ressentiment hingegen funktioniert sozialpsychologisch auf vollkommen andere Art und Weise:
    1. Es gibt kein positives Ressentiment. Ressentiments beschreiben also _immer_ eine Abneigung.
    2. Das Ressentiment spielt sich _immer_ auf der Gefühlsebene ab, zählt also zu den (sozialpsychologischen) Emotionen. Es beschreibt eine gefühlsmäßige Ablehnung von Gruppen oder Personen, einhergehend mit einer diffusen Angst vor Bedrohung oder Gefährdung, mit dem Gefühl von Ohnmacht, Neid und Rachsucht, mit dem sich Einnisten in der selbst gewählten Opferrolle und mit stark negativer Affektivität.
    3. Der Begriff Ressentiment beschreibt eine komplexe, in sich gechlossene Struktur, die eben _nicht_ revidier- oder verhandelbar ist. Im Gegensatz zum Vorurteil ist es immun gegenüber Argumenten und Erfahrungen, funktioniert also vollkommen unabhängig vom tatsächlichen Verhalten des Objekts und wird davon auch nicht beeinflusst.
    4. Kurzum: Das Ressentiment bezieht sich nicht, wie das Vorurteil, auf das Verhalten und Handeln, sondern auf die bloße Existenz einer Person oder Gruppe.

    Beschäftigt mensch sich also mit dem Ressentiment, muss sich nicht mit dem Objekt beschäftigt werden, sondern vorrangig mit dem Subjekt und mit dessen innerer Gefühlsstruktur, dessen Groll. Es muss sich damit auseinander gesetzt werden, welche sozialpsychologischen Ursachen vorherrschen, in welcher Form bzw. Art und Weise das Ressentiment zum Vorschein tritt und welche gesellschaftlichen Bedürfnisse durch das entsprechende Ressentiment befriedigt werden. Und genau darin besteht dann auch die Aufgabe, wird sich für den Begriff „antimuslimisches Ressentiment“ entschieden: woher kommt es, wie ist es inhaltlich gefüllt, wie drückt es sich aus und in welcher Form erlangt es Wirkmächtigkeit.
    Die von dir erwähnten „verschwörungstheoretische(n) und paranoide(n) Diskurse“, das „Fremde“ und das „Andere“ sind genau dabei zu erkennen und zu beschreiben. Sie werden durch die im Redebeitrag vorgeschlagene Begriffsverwendung also keinesfalls „nicht thematisiert“, sondern müssen sogar _zwangsläufig_ thematisiert werden, weil das spezifisch antimuslimische Ressentiment ansonsten gar nicht greif- und beschreibbar wäre. Jedes einzelne existierende Ressentiment muss also für sich selbst analysiert und inhaltlich gefüllt bzw. beschrieben werden. Somit gleichen sich Ressentiments auch nur in den oben beschriebenen Punkten, während die jeweilige Spezifik auch jeweils spezifisch erarbeitet werden muss – der Begriff beinhaltet dementsprechend also immer sämtliche Bereiche und Dimensionen des Phänomens.

    Was ich in Bezug auf den Redebeitrag allerdings auch sehe: dadurch, dass viele den Begriff ‚Ressentiment‘ tatsächlich falsch verstehen und dementsprechend auch falsch verwenden, wäre es wohl nötig gewesen, vor der eigtl. Begriffsdebatte zunächst die Kategorien zu klären, sprich: was ist Rassismus und was ist Ressentiment?! Das hätte allerdings den sowieso schon bis zum Äußersten ausgereizten zeitlichen Rahmen vollends gesprengt. Spätestens bei einer eventuellen verschriftlichten Auseinandersetzung mit der Thematik wird das aber definitiv nachgeholt.

    Mit antifaschistischen Grüßen,
    der_die Autor_in des Redebeitrags

    Posted on 01-Sep-11 at 00:24 | Permalink
  2. Danke für die Erläuterung!

    Ich würde den Begriff „Ressentiment“ auch nicht als falsch oder unpassend bezeichnen. Jedoch scheint er sehr wenig benutzt zu werden. Erst recht nicht in der sogenannten „mündlichen“ oder in der Alltagssprache. Begriffklärungen sind deshalb umso wichtiger. Die Demo gab diesen Rahmen nicht her.

    Ansonsten bin ich bei dem Begriff aber immer noch skeptisch. Was passenderes ist mir (und in unseren Diskussionen) aber auch nicht eingefallen. Die Erläuterungen und die Inhalte klingen plausibel. Ci hwerde nochmal drüber nachdenken müssen und wir werden weiter diskutieren.

    Posted on 11-Sep-11 at 14:27 | Permalink