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Buschkowskys Psychoterror und der Mob im Neuköllner Rathaus

Da mosert Heinz Buschkowsky, der Kleinfürst von Neukölln in der Bild über mangelnde politische Reife „der Kreuzberger Zivilgesellschaft“, beklagt den „Triumph von Psychoterror und der Macht des Straßenmobs“ und will in der Reaktion auf den Besuch von Thilo Sarrazin in Neukölln und Kreuzberg den „Geruch von politischem Chaotentum“ und ein „Wesensmerkmal des Totalitarismus“ erkannt haben. Das Buschkowsky einer engagierten Stadtteil- und Migranteninitiative damit drohte dafür zu sorgen, daß die existenziell notwendigen Zahlungen gestrichen werden, wenn diese sich bei einer rassismuskritischen Veranstaltung äußert, ist selbstverständlich weltoffen und tolerant. Die „vorsorgliche Kündigung“ von Verträgen mit Trägern der Jugendarbeit aufgrund eines vermeintlichen Defizits, persönlicher Animositäten und politischer Differenzen sowie die gezielte Vernetzung in der Überwachung marginalisierter Menschen unter Mißachtung der gängigen Daten- und Jugendschutzgesetzen sind selbstverständlich notwendig und zeugen wohl für eine besonders ausgebildete „politische Reife“.

Es ist schon spannend, wie Buschkowsky seine eigenen hochmoralischen Ansprüche immer nur von Migrant_innen übererfüllt sehen möchte, seinen eigenen ökonomischen (Psycho-) Terror, seine absolutistisch totalitäre Kontrolle sämtlicher Belange in Neukölln und seine Unterdrückung jeglicher Kritik an seinen Machenschaften, die immer existenziell geführt wird, regressiv abspaltet. Aber ein echter Fürst weiß eben selbst am Besten, was seinen Höflingen und -damen, seinen Leibeigenen und seinen „Schutzbefohlenen“  zusteht.

Sarrazin hat generalisierend Muslime und „Türk_innen“ hierarchisiert und durch vermeintliche Statistiken wissenschaftlich als minderwertig bezeichnet. Er beschreibt in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ und in zahlreichen Äußerungen seinerseits, daß türkische, arabische und muslimische Menschen sozial und ökonomisch lediglich sogenannte „Leistungsbezieher_innen“ sein sollen und deshalb keinen gesellschaftlichen Wert besitzen, sondern lediglich „kosten“ würden. Von diesen Menschen grenzt Sarrazin Pol_innen, Vietnames_innen und vor allem (osteuropäische) Jüd_innen ab. Die sollen, auch genetisch bedingt, besser als die muslimischen Migrant_innen sein, aber kulturell und sozial immer noch nicht so wertvoll, wie das deutsche Bildungsbürgertum.

Buschkowsky hat gestern bei 3sat eine ähnliche ethnisierende und kulturalistische Hierarchisierung von Menschen angestellt. Die Türk_innen, unabhängig, ob sie einen deutschen Pass besitzen oder nicht, stehen ganz oben in der Leiter der Integration und Verwertbarkeit. Früher waren Russ_innen (in Neukölln) ganz unten. Da sollen jetzt, so Buschkowsky, die Rroma Großfamilien stehen.

Selbstverständlich meint Sarrazin und Buschkowsky eine derartige Kategorisierung nicht rassistisch. Vielmehr soll sie Ausdruck einer empirischen Untersuchung (Sarrazin) oder eigenen Erlebens (Buschkowsky) sein. In beiden Fällen wird eine politische und soziale Perspektive allerdings zum Faktum und zur allein seligmachenden Wahrheit erklärt, die sich bewußt auf Ausgrenzung, ethnische Stereotypen und xenophobe Klischees beruft.

Die eigene Fremdenfeindlichkeit der beiden Vertreter einer ökonomischen und politischen Elite, die durch staatliche Regelleistungen (Pension für Sarrazin und Gehalt bei Buschkowsky) bis ins hohe Alter hervorragend abgesichert sind, wird vermeintlich vernünftig und objektiv konstruiert, obwohl die ideologischen und politischen Werte (bewußt) lediglich einen „weißen“ Superioritätsanspruch reproduzieren und ihn verfestigen. Beide intervenieren auf ihre Art in den politischen und sozialen Diskurs und kanzeln jede Kritik als „undemokratisch“ oder „totalitär“ ab. Ihr eigener Totalitarismus der bürgerlichen Mitte wird weder reflektiert noch wahrgenommen.

Der Restaurantbesitzer hat als Privatperson und Unternehmer gehandelt, der individuelle entscheidet, wer bei ihm essen darf und wer nicht. Das tut er jeden Tag neu – durch seine Preise, den Standort und die Aufteilung des Raumes. Die Händler_innen auf dem Markt – sowohl „weiße“ als auch migrantische Deutsche – haben Sarrazin nicht willkommen geheißen – ebenfalls individuell und persönlich. Auch die alevitische Gemeinde hat als Kollektiv entschieden Sarrazin den Zutritt zu verweigern.

All dies sind individuelle Entscheidungen, die selbstverständlich einen politischen Aspekt beinhalten. Dieses Verhalten zeugt deshalb sehr wohl von einem hohen politischen Bewußtsein und erst recht von einer politischen „Reife“. Die Händler_innen, der Restaurantbesitzer und sein Angestellter und die Religiösen haben sich bewußt und als politisches Zeichen gegen Ausgrenzung, Intoleranz und Rassismus entschieden. Sarrazin aber konstruiert sich selbst als Opfer. So wie er in seinem Buch die deutsche Nation zum Opfer macht, daß demnächst den „Volkstod“ sterben wird, verklärt er sich nach seinem gescheiterten ersten Ausflug zu den von ihm Beschimpften zum Märtyrer der „schweigenden Mehrheit“.

Buschkowsky geht sogar noch einen Schritt weiter und überhöht persönliche Entscheidungen, die keinerlei existenzielle Auswirkungen haben werden, aber sehr wohl politisch wirken, zu „Psychoterror“ und „Mobbing“. Wie beides funktioniert, weiß aber vor allem er selbst am Besten.

Vor wenigen Tagen hat er praktisch der gesamten Jugendarbeit in Neukölln „vorsorglich gekündigt“ und einen politischen und persönlichen Disput eskaliert. Dabei hat er billigend in Kauf genommen, daß die Träger der Einrichtungen und die dort Arbeitenden in ihrer Existenz gefährdet waren und weiterhin sind. Noch perfider war und ist sein „Psychoterror“ gegen Initiativen und Vereine, die sich seiner repressiven Überwachung von Migrant_innen und der Aufgabe den gesamten Kiez total sozial zu kontrollieren verweigern. Da werden monatlich Kündigungen geschrieben, die nicht standhalten, aber wichtige zeitliche Ressourcen binden. Da wird gedroht, bis in den Senat hinauf zu intervenieren, daß gefälligst öffentliche Äußerungen gegen das rassistische Verhalten des Bezirskamtes zu unterlassen sind. Erneut sind die Betroffenen existenziell gefährdet und von Repression bedroht.

Deshalb kann ich nur zum Ergebnis kommen, daß die bürgerliche Elite in der Politik (Buschkowsky) und der Ökonomie (Sarrazin) durch Totalitarismus und politisches Chaotentum gekennzeichnet ist. Der xenophobe Mob im Neuköllner Rathaus und im Zehlendorfer Einfamilienhaus ist weit davon entfernt, weltoffen und tolerant zu sein. Politische Reife und soziale Verantwortung, welche die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen zum Ziel hat, sind nicht vorhanden. Vielmehr wird die eigene politische und ökomomische Macht bewußt genutzt, um marginaliserte Menschen durch Psychoterror affirmativ zu konditionieren und in die eigene soziale Perspektive von verwertbaren Menschengruppen zu zwingen.

Die bürgerliche Parallelgesellschaft der vermeintlich schweigenden (weißen) Mehrheit der Sarrazins und Buschkowskys hat keine Beziehung zur Wirklichkeit der Menschen in Neukölln und Kreuzberg und will diese auch gar nicht. Die Konsequenz kann deshalb nur sein noch sehr viel öfter für den Einbruch der Realität bei rassistischen und sozialchauvinistischen Menschen und Institutionen zu sorgen.

2 Comments

  1. elmar lachs

    alta, sogar bei noblogs merkt man das wahlkampf ist. hast du noch was wichtigeres als dich an buschy abzuarbeiten?

    Posted on 19-Jul-11 at 17:47 | Permalink
  2. dies ist kein wahlkampf, sondern aufklärung über den netten bürgermeister von nebenan. und solange der rassist und fremdenfeind immer noch als harmlos dargestellt wird, ist die infoarbeit nicht vorbei!

    Posted on 20-Jul-11 at 10:01 | Permalink