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Der 4. November 2011 – Alte Bündnisse und lächerliche Mobilisierung

In wenigen Wochen ist es soweit. Am 4. November wird wieder die nationalistische Werbetrommel für die imaginierte Superiorität der vermeintlich existenten russischen Nation gerührt. Staatliche, parlamentarische und freie Nationalist_innen wollen erneut den seit 2005 geschaffenen Feiertag der „Einheit des Volkes“ begehen. Trotz der Verbote der wichtigen nationalistischen Organisationen „Dvizhenie protiv nelegal’noi Immigrazii“ (DPNI) und des Slavjanskij Sojuz, zahlreicher Verurteilungen militanter Nazis und Nazi-Terrorist_innen mobilisiert die nationale Bewegung landesweit zu den sogenannten „Russischen Märschen“.

Seit Wochen wird mit Kundgebungen, Demonstrationen und einer steigenden Zahl von Übergriffen auf vermeintlich nicht-russische Menschen für die Einheit der Nationalist_innen geworben und zum Marsch mobilisiert. Im Zuge des Wahlkampfes werden die Nazis in Russland aktiver und suggerieren eine politische Relevanz, die so allerdings nicht vorhanden ist. Trotz der forcierten Zusammenarbeit der Liberal-Demokratischen Partei Russland (LDPR) mit den außerparlamentarischen und militanten Nationalist_innen, die versucht die gesamte nationalistische n Strömungen zu „Runden Tischen“ zu bündeln, läßt sich kein nationale Offensive erkennen. Erschreckender ist eher, daß erneut auch die Kommunistische Partei Russlands und ihre Kandidat_innen, wie Sergej Igumenov Kandidat der KPRF aus Saratov, im Wahlkampf antisemitisch und nationalistisch auf Wähler_innenfang gehen.

Zum Repertoire der Mobilisierung zum „Russischen Marsch“ gehört in jedem Fall aber auch Homophobie. So wurde am 1. Oktober der sogenannte „Marsh ravenstva“ (Marsch der Gleichheit) gegen Diskriminierung von LGBT Menschen und für gleiche Rechte in Moskau von Nationalist_innen angegriffen. Zum Marsch hatte ein breites Bündnis sozialer, queerer und anderer Initiativen aufgerufen. Es kamen circa 50 Menschen. Vor, während und nach der Veranstaltung versuchten die Sicherheitskräfte, wie Novaja Gazeta schrieb, die Kundgebung zu stören oder ganz zu verhindern. 11 LGBT-Aktivist_innen wurden in Gewahrsam genommen. Außerdem verhaftete die Polizei circa 30 homophobe Angreifer_innen, die Tomaten und Paintball-Gewehre be i sich haten. Zu weiteren Übergriffen auf Teilnehmer_innen des „Marsches für die Gleichheit“ soll es in der U-Bahn gekommen sein.

Die Angriffe auf die Antidiskriminierungskundgebung ging von einer gleichzeitig stattfindenden Veranstaltung des neuen nationalistischen Bündnisse „Russkie“ (Russen) aus, das im Rahmen einer landesweiten Aktion gegen vermeintlich „ethnische Verbrechen“ stattfand. Hierzu trafen sich nach Angaben des Analyse- und Informationszentrum „Sova“ an der U-Bahnstation „Chistye Pridy“ circa 150 bis 200 Nationalist_innen, die an die Ermordung vermeintlich russischer Menschen erinnerten. Dazu aufgerufen hatten mit Dmitrij Demushkin (Slavjanskij Sojuz) und Aleksandr Belov Potkin (DPNI) Führer zweiter im Frühjahr verbotener Organisationen. Gleichzeitig fand in einem anderen Stadtteil ein „Marsch gegen ethnische Verbrechen“ statt, der von der weitestgehend unbekannten Organisation „Liga zur Verteidung Moskaus“, dem sonst immer mit der DPNI und dem Slavjanskij Sojuz zusammenarbeitenden „Russkoe Obshestvennoe Dvizhenie“ (ROD) und dem „Russkij Grazhdanskij Sojuz“ (Russischer Bürgerrat) organisiert wurde.Zu der Demonstration kamen, wie der Kommersant berichtet, circa 500 Menschen. Weitere Veranstaltungen fanden in St. Petersburg (ca. 80 Teilnehmer_innen), Novosibirsk (ca. 15 teilnehmer_innen), Tomsk (ca. 20 Teilnehmer_innen), in Saratov, wo allerdings lediglich sechs Personen teilnahmen, und anderen Städten statt.

Aufgrund dieses Mißerfolgs ist es allerdings verwunderlich, daß die mächtig unter Verfolgungsdruck stehende, politisch völlig irrelevante und zersplitterte nationalistische Bewegung erneut zum „Russischen Marsch“ mobilisiert. Wie auf dem Blog des „Nationalen Nachrichtendienstes“ am 6. Oktober zu lesen war, ruft ein „Zentralkomitee Russischer Marsch“ landesweit zu Demonstrationen und Kundgebungen auf. Neben den bekannten Floskeln von historischer Mission, göttlicher Sendung, territorialer und ethnischer Heterogenität und anderer Einbildungen wird in der Erklärung die Einheit der nationalistischen Bewegung postuliert und ein naher Sieg imaginiert.

Die Erklärung des nationalistischen ZK kam zwei Tage nach der Anmeldung eines „Russischen Marsches“ am 4. November zum „Tag der Einheit des Volkes“ in Moskau. Zu der 5 km langen Demonstration, so behaupten die Anmelder_innen Belov (DPNI), Demushkin (Slavjanskij Sojuz) und Tor (ROD), erwarten sie 15.000 Teilnehmer_innen. Diese Zahl kann allerdings angesichts der letzten Veranstaltungen getrost als Witz betrachtet werden. Damit machen sich die Organisator_innen nur lächerlich. Weitere „Russische Märsche“ soll es, wie auf dem Portal der DPNI nach zu lesen ist, offenbar in Novosibirsk, Krasnojarsk und in Kirov geben. Sämtliche lokalen Bündnisse organisieren sich übrigens im russischen social-media Netzwerk vkontakte.

Erstaunlich ist, daß sich die Autonomen Nationalist_innen um Russkij Obraz und die Straight-Edge-Nazis von „Soprotivlenie“ offenbar nicht an den Vorbereitungen zum „Russischen Marsch“ beteiligen. Außerdem planen sie bisher keine eigenen Veranstaltungen. Auch von den staatsloyalen Jugendorganisationen ist wenig zu hören. Bleibt abzuwarten, ob sich das noch ändert.