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Non Dimenticare mai! Soundtrack gegen das Vergessen

Diese Lieder sollen an die Massaker und deutschen Kriegsverbrechen in Italien erinnern. Sie verweisen darauf, daß Nazis und Faschist_innen bis heute weitestgehend ruhig und ungestört leben können. Die Opfer und ihre Familien aber sind traumatisiert und finden keine Ruhe. Der deutsche und der italienische Staat tun wenig um ihrer Verantwortung gerecht zu werden und endlich für eine Auseinandersetzung mit den Verbrechen zu sorgen. Ganz im Gegenteil, die juristische Aufarbeitung wurde in Italien bis 1994 und darüber hinaus ver- und behindert. In Deutschland werden italienische Urteile ignoriert und deutsche Kriegsverbrecher nach der Überführung aus Italien frei gelassen. Es ist Zeit, daß sich etwas ändert!

Mit diesem „Soundtrack gegen das Vergessen“ wollen wir auch musikalisch die Erinnerung an die grausamen Massaker von deutschen Wehrmachtssoldaten, Mitgliedern der Waffen-SS und andere deutsche Militärs an der italienischen Zivilbevölkerung wach halten. Sämtliche Lieder erzählen eine besondere Geschichte. Das Mixtape kann bei rapidshare, megaupload, mediafire und hotfile runtergeladen werden. Hier nun aber der Hintergrund zu den Tracks.

 

Parlato Zuf de Zur

In diesem Epilog er ein Partisan über die immer währende Aufgabe sich die Ideale der Resistenza immer wieder neu zu vergegenwärtigen. Der antifaschistische Kampf der Partisan_innen ist längst nicht vorbei. Die aktuellen Verurteilungen beweisen, daß es noch einiges zu tun gibt.

 

Per i morti di Reggio Emilia Stormy Six

In diesem Lied, das von einer der wichtigsten Band der ’77-Bewegung gesungen wird, geht es um die Ermordung von Ovidio Franchi, Lauro Farioli, Emilio Reverberi, Marino Serri, Afro Tondelli – fünf Kommunist_innen aus Reggio Emilia – die bei einer antifaschistischen Demonstration gegen die Regierung des Christdemokraten Fernando Tambroni am 6. Juli 1960 in Rom getötet wurden. Grund des massiven Protestes seit der Regierungsbildung unter Vorsitz der Partei Democrazia Cristiana (DC) im Juni 1960 war die Beteiligung der (neo-) faschistische Partei Moviemento Sociale Italiano (MSI) an der Regierung. Nach der Ermordung der fünf Kommunist_innen und einem anschließenden Generalstreik der größten italienischen Gewerkschaft CGIL trat die Regierung Tambroni – das sogenannte „Antiparlament“ (ital. „anticamera“) – am 19. Juli 1960 zurück. Im selben Jahr entscheidet der allgemeine Militärstaatsanwalt die vorläufige Schließung der Akten zu deutschen Kriegsverbrechen in Italien, zu denen schon seit dem Beitritt Deutschlands zum Nordatlantikpakt und der Gründung der Bundeswehr Ende 1955 nicht mehr weiter ermittelt wurde. Im sogenannten „Armadio della Vergogna“ (Schrank der Schande) wurden die Dokumente der italienischen und alliierten Ermittlungsbehörden in einer „provisorischen Archivierung“ bis 1994 verschlossen.

 

Montesole Ginevra di Marco

Dieses Lied beschäftigt sich mit dem Massaker in Marzabotto bei dem zwischen dem 29. September und 1. Oktober 1944 von Soldaten der Panzergrenadier-Division „Reichsführer SS“ der Waffen-SS bis zu 1836 Menschen ermordet wurden. Der SS-Sturmbannführer Walter Reder, verantwortlich für das Massaker von Marzabotto, wurde 1951 von einem Militärgericht in Bologna zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach mehreren von den Hinterbliebenen abgelehnten Gnadengesuchen wurde Reder 1985 gegen den ausdrücklichen Wunsch der Betroffenen durch den Sozialisten Bettino Craxi (Partito Socialista Italiano, PSI) begnadigt. Der Mörder von Marzabotto kehrte als gefeierter „letzte Kriegsgefangene Österreichs“ nach Wien zurück und wurde bei seiner Einreise vom damaligen österreichischen Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager (FPÖ) mit Handschlag begrüßt. 1991 stirbt Reder in Wien. Im Januar 2007 wurden 10 an dem Massaker beteiligte ehemalige Angehörige der Waffen-SS in La Spezia zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Alle sind bis heute frei, weil die Stuttgarter Staatsanwaltschaft die von italienischen Gerichten höchstinstanzlich bestätigten Urteile und Beweise nicht anerkennt.

 

Renzino Casa del Vento

Diese Lied erzählt die Geschichte des Massakers in Civitella della Chiana in der Provinz Arezzo. Am 29. Juni ermordeten Wehrmachtssoldaten der Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“ 244 Menschen. Das Massaker war eine Reaktion auf einen Angriff von Partisan_innen, die am 18. Juni 3 deutsche Soldaten beim Betreten einer Bar getötet hatten. Der Stadt wurde ein Ultimatum gestellt, innerhalb von 24 Stunden die Täter_innen auszuliefern. Dies passierte nicht. Am 29. Juni, dem Tag des Peter-und-Paul-Festes zu Ehren der Apostel Petrus und Paulus, griffen drei deutsche Einheiten der Division „Hermann Göring“ unter dem Kommando des Generalmajor Wilhelm Schmalz die Ortschaften Cornia, San Pancrazio und Civitella an. 244 Menschen wurden ermordet und die Dörfer angezündet. Das Massaker gilt als eines der blutigsten. Wilhelm Schmalz, der Verantwortliche für das Massaker, wurde 1950 von einem italienischen Militärgericht in Rom freigesprochen. Am 10. Oktober 2006 wurde der ehemalige Unteroffizier in der Division „Hermann Göring“ und Beteiligte am Massaker von Civitella in Abwesenheit vom Militärgericht in La Spezia zu lebenslanger Haft und Wiedergutmachungszahlungen verurteilt. Das italienische Kassationsgericht bestätigte im Oktober 2008 das Urteil und die Entschädigungsforderungen gegen den deutschen Staat in Höhe von 1 Mio. Euro.

 

Non ti ricordi il 31 dicembre Gruppo Donne di Boves

Dieses Lied beschreibt die Nazi-Angriffe und Massaker im Dorf Boves in der Provinz Cuneo (Piemont). Die Stadt wurde schon im September 1943 in einem der ersten deutschen Kriegsverbrechen in Italien angegriffen. Am 19. September wurden 23 Bewohner_innen von der Waffen-SS unter dem Kommando von Joachim Peiper ermordet und 350 Häuser in Brand gesteckt. Am 31. Dezember wurde die Ortschaft erneut angegriffen und 157 Menschen getötet. Boves wurde nun komplett zerstört. Joachim Peiper, der Verantwortliche für dieses und andere Massaker in Italien und Frankreich, wurde im Juli 1946 zum Tode verurteilt, am 31. Januar 1951 zu lebenslanger Haft begnadigt und im Jahr 1957 endgültig nach Deutschland entlassen. Er arbeitete zunächst bei Porsche, wurde aber auf öffentlichen Druck hin entlassen. Für VW zog er nach Frankreich und war wieder mit starker öffentlicher Kritik konfrontiert. In der Nacht vom 13. auf den 14. Juli 1974 wurde er bei einem Schußwechsel erschossen und sein Haus angezündet. Bis heute sind die Umstände des Todes von Peiper nicht aufgeklärt.

 

L’Unica superstite Modena City Ramblers feat. Fiamma

Dieses Lied der bekannten Band Modena City Ramblers, die sich in ihrer Musik immer wieder mit der Resistenza und dem Kampf der Partisan_innen beschäftigen, erzählt die Geschichte des Massakers in Bettola (Reggio Emilia) am 24. Juni 1944 bei dem 32 Menschen ermordet wurden. Die Mörder gehörten zur Berliner Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“, die für zahlreiche Massaker in der Grenzregion zwischen der Toskana und der Region Emilia-Romagna verantwortlich sind. Seit November 2009 stehen 12 Kriegsverbrecher in Verona vor Gericht. Die Urteilsverkündung über neun Nazis soll am 5. Juli stattfinden – drei der angeklagten ehemaligen Wehrmachtssoldaten starben im Verlaufe des Prozesses.

 

Cannoni del Sagro Apuameter

In diesem Lied erinnern Apuameter an das Massaker in Vica, einem Dorf das zur Gemeinde Fivizzano in der Nähe von Carrara gehört. Am 24. August 1944 wurden in dem Ort von Einheiten unter Leitung des SS-Sturmbannführer Walter Reder 147 Menschen erschossen.

 

4 maggio ’44 gang

Am 4. Mai 1944 ermordeten Nazis der Waffen-SS und Wehrmachtssoldaten im Dorf Arcevia am Fuß des Berges Sant’Angelo in der Provinz Ancona 63 Menschen. Unter ihnen war beinah die gesamte Familie Mazzarini, die den in der Umgebung kämpfenden Partisan_innen Unterschlupf gewährte. Vor allem den Toten dieser engagierten Familie ist dieses Lied gewidmet. Das Inlay zu dieser CD zeigt eine Partisan_innen-Einheit in Arcevia.

 

Canzone dell’8 settembre Gruppo Padano di Piàdena

Dieses Lied handelt von der Verschleppung junger, italienischer Frauen und Männer zur Zwangsarbeit nach Deutschland. Sie wollten nach dem Waffenstillstand zwischen dem Großen faschistischen Rat und den Alliierten am 8. September 1943 nach Hause zurück kehren. Sie freuten sich über das vermeintliche Ende des Krieges und das Wiedersehen mit ihren Familien. Doch in ihren Heimatorten kamen sie oft nicht an. Sie wurden inhaftiert und zur Zwangsarbeit nach Deutschland verbracht. Erst spät kehren sie zurück. Bis heute werden die Betroffenen von den deutschen Behörden nicht als Zwangsarbeiter_innen akzeptiert. Außerdem wurden sie, genauso wie griechische Zwangsarbeiter_innen, explizit von den Entschädigungszahlungen der Stiftung „Erinnerung, Versöhnung und Zukunft“ – dem sogenannten Zwangsarbeiter-Fonds der deutschen Wirtschaft – explizit ausgeschlossen.

 

Il giorno delle foglie rosse Casa del Vento

Casa del Vento beschäftigen sich in diesem Lied mit dem Massaker in San Polo in der Provinz Arezzo am 8. September 1943 bei dem 48 Menschen ermordet wurden. Die in den Bergen bei San Polo festgenommenen Partisan_innen sollten die militärischen Pläne der Alliierten verraten. Als die Partisan_innen aber trotz Folter nicht sprachen, wurden sie zusammen mit den Männern des Dorfes in drei Gruben geworfen, die sie selbst ausheben mußten, und mit Sprengstoff ermordet. Danach erlaubten die Deutschen keinem die Toten zu beerdigen. Der prominenteste unter den ermordeten Partisan_innen war der italienische Volksheld Eugenio Calò. Er war ein Sohn aus einer angesehenen jüdischen Familie aus Pisa und kämpfte gegen Faschisten und Nazis. Er gehörte als zweite_r Anführer_in der Partisanen-Division „Pio Borri“ an, die in der Provinz Arezzo in den Bergen des Casentino Tals operierte. Ihm wurde posthum die Goldene Tapferkeitsmedaille verliehen und mit dieser höchsten italienischen Auszeichnung sein Engagement gegen Faschismus und Nazismus sowie seine Menschlichkeit geehrt. Im Februar 2007 wurde Herbert Hantschk als letzter lebender Beteiligter am Massaker vom Militärgericht in La Spezia zu lebenslanger Haft verurteilt. Er bleibt trotz der Verurteilung aufgrund der Untätigkeit der deutschen Behörden frei.

 

Il massacro dei trecentoventi Egidio Cristini

Dieses Lamento – der wohl beeindruckendste Track dieses Mixtapes – berichtet über das Massaker in den römischen Fosse Ardeatine, besser bekannt als Ardeatinischen Höhlen, am 24. März 1944. Dort wurden auf Befehl von Herbert Kappler, dem SS-Polizeichefs von Rom, 335 Menschen ermordet. Unter den Erschossenen waren 75 jüdische Geiseln. Dieses Massaker zeigt beispielhaft, wie die Wehrmacht und die deutschen SS-Einheiten mit der italienischen Zivilbevölkerung umgehen sollte und gilt als Vorbild für die sogenannte „Bandenbekämpfung“ seit April 1944 und den sogenannten „Bandenbefehl“ von Albert Kesselring vom 17. Juni 1944. Herbert Kappler wurde 1948 von einem italienischen Militärgericht zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt. Im Jahr 1977 wurde er aufgrund einer Krebserkrankung in ein Hospital verlegt. Von dort floh er im August nach Deutschland. Zu seiner Beerdigung im Frühjahr 1978 im niedersächsischen Soltau kamen bis zu 800 Menschen.

 

Il canto die deportati Rosso maltese

Dies ist die italienische Version des deutschen antifaschistischen Liedes „Die Moorsoldaten“. Das Original entstand 1933 im „Staatlichen preußischen Konzentrationslager I Börgermoor (Papenburg)“. Häftlinge des KZ Börgermoor veranstalteten eine Zirkusveranstaltung („Zirkus Konzentrazani“) für ihre Mitgefangenen und die SS-Bewacher. Erst nach Auseinandersetzungen innerhalb der KZ-Häftlinge setzte eine Mehrheit die Vorstellung durch. Eines der Argumente war, mensch müsse der SS demonstrieren, daß mensch trotz Folterungen nicht zerbrochen worden sei. Zum Schluß der Darbietungen wurde das Lied „Die Moorsoldaten“ erstmals gesungen. Das Lied wurde von der Lagerleitung schnell verboten. Dennoch gelangte es nach draußen. Seit 1935 wurde es in verschiedene Sprachen wie auch ins italienische übersetzt. Es gilt als das Lied der Inhaftierten und Deportierten.

 

Note di San Severo Casa del Vento

Dieses Lied hat einen sehr persönlichen Hintergrund. Es erzählt die Geschichte des Massaker im Dorf San Severo in der Provinz Arezzo. Die Ortschaft existiert heute nicht mehr. Nur die alte Dorfkirche erinnert an das Leben vor dem 16. Juli 1944. Sie ist zum Denkmal für 17 Menschen geworden, die von Nazis ermordet wurden. Unter ihnen war Silvestro, der Großvater von Luca und Sauro, dem Sänger und dem Akkordeon-Spieler von Casa del Vento.

 

Pieta‘ l’e‘ morta Modena City Ramblers

In diesem Lied geht es um die Toten des II. Weltkrieges, die ermordeten Partisan_innen und die russischen Kriegsgefangenen. Das Lied gilt als eines der wichtigsten italienischen Anti-Kriegs- und Partisanenlieder.

 

Bella Ciao Karandila

Zu dem bekanntesten Lied der Resistenza muß wohl nicht viel gesagt werden. Es ist die Hymne der Partisan_innen. Es vereinte verschiedenste Spektren von anarchistischen, kommunistischen und sozialdemokratischen bis zu konservativen und christlichen Antifaschist_innen, die gemeinsam gegen die Nazis kämpften. Es ist aber eher die Hymne der bürgerlichen Resistenza. In Berlin gehört es zum Repertoire jeder Antifa-Demo und allen italienischen Punk-, Ska oder Patchanka-Konzerten.

 

Siamo i ribelli della montagna Üstmamo‘

Das Lied wurde im März 1944 von dem Partisanen Emilio „Cini“ Casalini geschrieben. Er kämpfte in der 5. Einheit der III. Brigade Garibaldi „Ligurien“ in den Bergen der Apenninen, in der Grenzregion zwischen Ligurien und Piemont. Schnell wurde das Lied, das auch unter dem Titel „Dalle belle cittá“ bekannt ist, zur Hymne der Einheit. Außerdem gilt es neben Bella Ciao und Pietà l’è morta als eines der bekanntesten Partisan_innen-Lieder und wirkt bis heute in die antagonistische Bewegung Italiens.

 

Fischia il vento Banda Bassotti

Die Melodie dieses Klassikers gehört zum russischen Volkslied „Katjuscha“, daß ähnlich wie „Fischia il vento“ zum antifaschistischen Liedgut gehört. Während das russische Lied allerdings eigentlich ein Liebeslied ist und zur Hymne des Raketenwerfers „Katjuscha“ (auch Stalinorgel) wurde, ist die italienische Version ein Partisanenlied. Es entstand im März 1943 noch vor der Landung der Alliierten in Sizilien in kommunistischen Widerstandsgruppen. Es ist sehr viel militanter als das eher bürgerliche „Bella Ciao“, aber mindestens genauso bekannt und beliebt.

Die Band Banda Bassotti ist allerdings für einen älteren Track in dem antizionistische Kritik zur antisemtischen Gleichsetzung von Israel und Nazideutschland kulminiert vor allem in Deutschland äußerst umstritten. Da die Band das antisemitische Lied nicht mehr spielt, sich für uns glaubhaft von den Inhalten distanziert hat und die Relevanz für die italienische antifaschistische Bewegung durchaus groß ist, haben wir uns dennoch dafür entschieden diese Version von „Fischia il vento“ auf dem Mixtape zur Verfügung zu stellen.

Die Diskussion um Antisemitismus und Antizionimus in der emanzipatorischen Bewegung ist wichtig. Sie muß immer wieder neu geführt werden und eventuell muß mensch sich von bestimmten kulturellen Klöassikern lösen, allerdings geht es auf diesem Mixtape vor allem um die Massaker von deutschen Tätern an Italiener_innen. Es geht um die eigene Verantwortung und den Imperativ zu handeln! Es geht darum, das der antifaschistische Widerstand immer noch wichtig ist.

Denn der Kampf gegen Faschismus und Nazismus ist noch lange nicht vorbei. Die alten Nazimörder sitzen ruhig zu Hause. Ihre Massaker sind weitestgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Die toten Orte und ihre Opfer bleiben aber – unvergessen!

Per non dimentica mai!
Ora e sempre: Resistenza!

Das Bild oben ist vom Cover der LP „il seme e la speranza“ von Gang.