Am gestrigen 25. April feierte Italien den Jahrestag der (Selbst-) Befreiung vom Faschismus vor 66 Jahren.
Angesichts der Perspektivlosigkeit der italienischen emanzipatorischen Bewegung, der sozialdemokratischen „Linken“ und der weitestgehenden Handlungsunfähigkeit der Gewerkschaften bezüglich alternativer Erwerbsformen und der Durchsetzung der Interessen Lohnabhängiger, ganz zu schweigen von den Interessen des Prekariats, konnte der antifaschistische Feiertag mobilisierend wirken. Allerdings wurde er durch antiisraelische Verschwörungstheorien und der staatlichen Instrumentalisierung des Todes von Arrigoni dominiert. Die Geschichte des 25. April und der Hintergrund gibt mehr her. Deshalb hier nochmal einen Abriß zur italienischen Selbstbefreiung, die am 25. April gefeiert wird.
Die sogenannte Repubblica Sociale Italiana (Italienische Sozialrepublik) oder auch Republik von Salò wird am 23. September 1943 von Mussolini von Salò aus – am Gardasee – für das von deutschen Faschisten besetzte Norditalien ausgerufen. Einige Tage zuvor wurde er von Deutschen aus monarchistischer Gefangenschaft in Gran Sasso in den mittelitalienischen Abruzzen befreit. Zuvor wurde er durch den Faschistischen Großen Rat abgesetzt und auf Anordnung des König von Italien, Kaiser von Äthiopien und König von Albanien Viktor Emanuel III. verhaftet und dort fest gehalten.
Nun, da deutsche Gesetze auch in Norditalien gelten, beginnen ab Oktober die Deportationen der italienischen Juden in die Vernichtungslager. Aber auch der Widerstand setzt sofort ein. Schon im November und Dezember desselben Jahres lähmen Streiks in Turin, Mailand und Ligurien die Rüstungsindustrie. Partisanen greifen immer wieder die Versorgungslinien der Besatzer an. Streiks und Aufstände lassen die Faschisten nie zur Ruhe kommen. Die reagieren mit äußerster Brutalität und gehen gegen die Zivilbevölkerung vor (Massenerschießung in den Ardeatinischen Höhlen in Rom – 335 Opfer, Massaker von Cumiana – 53 Opfer, Liste weitere Massaker und Opferzahlen).
Der Widerstand der Resistenza kann aber nicht gebrochen werden. Immer wieder werden Städte befreit. Im Sommer 1944 wird im nördlichen Piemont die erste Partisanenrepublik ausgerufen. Die Partisanenrepublik Ossola hält sich leider nur 40 Tage und wird von der Wehrmacht aufgelöst. Am 19. Oktober 1944 werden 43 aufständische Partisanen von den Deutschen hingerichtet. Eine weitere Freie Republik hielt sich vom 10. Oktober bis 2. November 1944. Die sogenannten 23 Tage der freien Partisanenrepublik von Alba endeten mit dem SS-Massaker von Marzabatto.
Neben der deutschen Wehrmacht und der SS sind es aber insbesondere italienische paramilitärische Einheiten, die gegen die Zivilbevölkerung vorgehen. Die nach der Ausrufung der Republik durch Mussolini entstandenen Brigate Nere (Schwarze Brigaden), die aus den Camicie Nere (Schwarzhemden) hervorgegangen waren, kämpften nicht nur gegen die Alliierten und gegen italienische Partisanen, sondern verfolgten und ermordeten vermeintliche und tatsächliche politische Gegner sowie Zivilisten, deren Bekenntnis zum Faschismus ihnen zweifelhaft erschien.
Das endgültige Ende der faschistischen Republik beginnt am 28. März 1945 mit dem Generalstreik in Mailand. Anfang April starten die Alliierten ihre Schlussoffensive. Massive Partsanenangriffe in allen Teilen Norditaliens setzen die Faschisten zusätzlich unter Druck. Am 16. April verlangt Mussolini bei der letzten, offiziellen Kabinettssitzung die Verlegung seiner Regierung nach Mailand. Partisanenverbände, streikende Bürger, Aufständische in den Städten und die Alliierten im Süden setzen die Faschisten enorm unter Druck. Nach und nach verlieren sie Ende April alle größeren Städte in Norditalien. Die Deutschen müssen sich zurück ziehen. Die Chronik des Niedergangs setzt sich unaufhörlich fort.
Am 18. April beginnt in Turin der Generalstreik und in Mailand streiken die Bahnarbeiter. Am 21. April wird Bologna befreit. Am 23. April rebellieren Genua, Mailand und Turin. Der Generalstreik wird auch in diesen Städten ausgerufen. Einen Tag später gibt es Aufstände in Cuneo im Piemont. Am 25. April wird Mailand befreit. Mussolini und die deutschen Besatzer verlassen die Stadt. Der Duce flüchtet an den Comer See. Am 27. April kapitulieren 7.000 Wehrmachtssoldaten in Genua vor dem Kommando der Partisanendivision Cichero. Des Weiteren kapitulieren weitere deutsche und italienische Faschisten in Padua vor den Partisanen. Beide Städte sind befreit!
Am 27. April identifiziert eine Gruppe Partisanen der 53. Brigade Garibaldi Mussolini in Dongo am nordwestlichen Ufer des Comer Sees. Er hatte sich als Deutscher verkleidet und war auf dem Weg zur Schweizer Grenze. Einen Tag später wird er zusammen mit seiner Geliebten Claretta Petacci in Giulino di Mezzegra (in der Nähe von Dongo) erschossen. Die Leichen wurden nach Mailand transportiert und auf dem Piazzale Loreto zur Schau gestellt, an jenem Ort, wo Mussolini Monate zuvor die toten Körper von Antifaschisten ausgestellt hatte.
Am 28. April befreien Partisanen Turin und Bergamo, der Aufstand in Venedig beginnt und die Alliierten schneiden der Wehrmacht im Norden den Rückzugsweg über die Alpen ab. Einen Tag später wird Piacenza unter starker Mitwirkung von Partisanenverbänden befreit. Am selben Tag unterschreibt die deutsche Wehrmacht im süditalienischen Caserta die Kapitulation für Italien. Im Norden gehen die Kämpfe trotzdem weiter. Die Faschisten sind aber überall auf dem Rückzug. Am 29. April erreichten die Alliierten Mailand und besetzten die Stadt. Am 30. April befreien Einheiten der VII. Alpinen Partisanen die Städte Belluno und Schio in der Provinz Venetien. Am 1. Mai werden die Städte Udine und Triest an der Grenze zu Slowenien von friulischen und jugoslawischen Partisanen befreit. Die Resistenza hatte gesiegt!
Doch das Morden hatte immer noch keine Ende. Trotz Kapitulation töteten am 2. Mai deutsche SS Einheiten der Karstwehr bei ihrem Rückzug aus Rache über einen Beschuß durch Partisanen im Bergdorf Avasinis (Region Udine) 51 Bewohner. Die Verantwortlichen wurden nie zur Verantwortung gezogen. Das Ermittlungsverfahren wurde ergebnislos im März 2007 eingestellt. Die SS-Faschisten ergeben sich erst am 10. Mai gegenüber Alliierten Streitkräften.
Dieser Wehrmutstropfen ist bezeichnend für die deutsche Verantwortung und die ekelhafte faschistische Ideologie! Gleichzeitig führt sie uns vor Augen, dass die Mörder von damals immer noch ungeschoren unter uns sind! Wogegen die Bewegung in den 60iger Jahren rebellierte, ist bis heute nicht verarbeitet. Dies beweisen die kruden intellektuellen Kapriolen eines Herrn Götz Aly oder dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Günther Oettinger, der den Nazi Hans Filbinger in einer Totenrede zum Gegner des NS-Regimes macht.
Aber auch in Italien, das Land, das gerade wieder eine rechtsnationale, postfaschistische Regierung wählte, kämpft bis heute mit den Geistern von Mussolini. In der langen Geschichte gab es von rechts immer wieder Verschwörungen, Morde und Ambitionen die Macht zu übernehmen. Dabei waren die Westen der weißen Herren zumeist rot, schmutzig und quollen über von Mafiageld. Deshalb ist der Feiertag der Befreiung vom Faschismus jedes Jahr aufs Neue ein Gradmesser, was die italienische Republik von ihrer Vergangenheit gelernt hat.
Ein paar Veteranen haben ihre Erinnerungen weitergegeben. Diese können beim Resistance Archive angeschaut werden. Eine sehr beeindruckende Interpretation von Bella Ciao gibt es auch von den Modena City Ramblers. Am Ende singen Tausende zu Ehren der Partisanen! Hier das Video.