Skip to content

Adolf Eichmann, der ganz normale Deutsche

Am heutigen Tag vor 50 Jahren wurde Adolf Eichmann, der Logister der Shoa aus Argentinien nach Israel überführt, um dort vor ein ordentliches Gericht gestellt zu werden. Der junge israelische Staat mußte zu dieser drastischen maßnahme greifen, weil die Dienste der vermeintlich demokratischen Staaten jede Zusammenarbeit beim Aufspüren von Kriegsverbrechen behinderten und verhinderten. Südamerika und die Nazibürokrat_innen der BRD sollten nicht unnötig aufgeschreckt werden.

Der Antisemit und stolze „Judenmörder“ Eichmann konnte sich bei seiner Flucht aus Deutschland auf alte Nazikontakte und den katholischen Klerus verlassen. In Argentinien lebte völlig unbedrängt und bürgerlich brav vor sich hin. Bis er gegenüber dem Nazinostalgiker Sassen begann über seine Heldentaten zu prahlen.

In Israel war der überzeugte Antisemit und pflichtbewußte deutsche Bürokrat weniger redselig. Er war gar kein Antisemit, sondern symphatisierte mit der zionistisch-nationalistischen Idee. Er suchte sogar nach einem Ersatzterritorium für „die Juden“ Europas. Nach Afrika wollte er sie schicken, nicht in dieVernichtungslager…. Was für ein Dreckskerl, was für ein scheiß Deutscher!

Er sprach, wie Hannah Arendt beeeindruckend in ihrem Buch zum Eichmann Prozess berichtet, in Floskeln. Entemotionalisiert, technokratisch und unwichtig saß der deutsche Durschschnittsbürger Eichmann auf der Anklagebank – bemitleidenswert, stoisch und widerlich aphatisch. Derjenige, der die Transporte fein säuberlich und präzise verwaltete und bei der Ermordung der ungarischen Jud_innen selbst eingriff, war plötzlich ganz klein und wollte es nicht gewesen sein. Erst machte er Karriere mit der Verwaltung des industriellen Massenmordes, kümmerte sich um Kompetenzgerangel udn setzte sich durch, um dann doch nur ein Rädchen gewesen zu sein.

Das er erst so spät gefaßt wurde, hatte Eichmann dem allierten Schweigen zu verdanken, daß sich vorzüglich mit den alten Naziseilschaften verstand. Jan Karski hatte diese Erfahrung im Umgang mit der Shoa zu Beginn der 40iger Jahre schon gemacht. Weder Roosevelt noch Churchill interessierten sich für die Ermordung der Jud_innen Europas. Sie schwiegen während des industriellen Massenmordes und danach!

Der Begriff des „Holocaust“, der sich spät als Bezeichnugn für die Shoa durchsetzen sollte, war schon in den 40igern ein Begriff. Jedoch beweist dieser Begriff, wie wenig begriffen wurde, das es weder um irgendwelche „Opfer“ ging, sondern um einen Zivilisationsbruch. Wenn heute sogenannte Anti-Deutsche US-Flaggen schwenken und die militärische Potenz der Vereinigten Staaten abfeiern, sollten sie den „Karski Bericht“ lesen, der erst heute auf Deustch erscheint und eindrucksvoll sowie erschreckend das Versagen der Allierten beschreibt. Die USA, Frankreich, England usw. haben nix zum Ende der Morde beigetragen – obwohl sie es wußten. Sie mordeten nicht, sondern schwiegen einfach! Israel, die USA und die Shoa zu verknüpfen zeugt deshalb einfach nur von einer verkürzten Auseinandersetzung mit der Shoa und einer oberflächlichen Perspektivverschiebeung, die weder etwas mit „Kommunismus“ noch mit „Antifaschismus“ zu tun hat…

Eichmann war der Bürger, der im Dienst die Logistik und Verwaltung des industriellen Massenmordes organisierte. Ganz bürgerlich und still schwieg die westliche Diplomatie angesichts der Shoa, über die ihnen Karski erzählte. Nach dem Krieg schützen die westlichen Dienste, der Vatikan und alte Naziseilschaften die deutschen Täter_innen. Israel war wieder auf sich allein gestellt und hat gehandelt. Eichmann wurde verurteilt!

3 Comments

  1. H. D. Thoreau

    Der Richtigkeit halber muss angemerkt werden, dass der Mossad den Wohnort von Eichmann von Generelstaatsanwalt Fritz Bauer – selbst Verfolgter unter den Nazis – bekommen hat.

    Interessant ist die Reaktion der israelischen Öffentlichkeit auf Hannah Arendts Bericht über den Eichmann-Prozess. Die Darstellung als seelenloser Bürokrat des Massenmordes stieß auf herbe Kritik. Mensch wollte in ihm das abgrundtief Böse sehen und nicht nur jemanden, dessen hauptsächlicher Charakterzug die Banalität ist. Teileweise bis heute gilt Arendt daher in Israel als persona non grata.

    Das im Artikel angedeutete Buch erscheint – viel zu spät – diesen Monat im Kunstmann Verlag

    Posted on 21-Feb-11 at 23:08 | Permalink
  2. Bauer quatschte aber auch, weil die BRD und die USA nicht reagierten. Er hatte konzentriert und genau gearbeitet, aber seine Ergebnisse interessierten wenige.

    Hannah Arendt war nicht nur aufgrund der attestierten Banaliät des „Bösen“ umstritten, sondern weil sie den Zionist_innen untätog und Kollaboration mit den Nazis vorwarf. Außerdem arbeitete sie genau heraus, welcher Staat wie und vor allem erfolgreich sich den (nationalsozialistischen) Vernichtungsplänen entgegen stellte…

    Bin sehr gespannt auf „Mein Bericht an die Welt“. Karskis Bericht sollte jede Illusion zerstören, daß die Allierten die Shoa verhindern wollten. Im Gegenteil, sie interessierten sich nicht für das Schicksal der europäischen Jud_innen. Mit Union-Jack & Stars&Stripes für Israel ist mehr als lächerlich!

    Posted on 24-Feb-11 at 11:00 | Permalink
  3. Dieses Thema darf nie veralten! Viele helfen hier und schreiben, reden, veröffentlichen. Zu Adolf Eichmann ist jüngst wieder ein Buch erschienen – (liegt vielleicht an 50er-Jubiläum seiner Verhaftung.)
    ISBN 978-3-640-84569-9

    Posted on 03-Mrz-11 at 17:15 | Permalink