In der letzten Woche machte eine Umfrage zum gestiegenen Diskriminierungs- und Ausgrenzungspotenzial vermeintlich echter Deutscher die Runde ohne großartig Wirbel zu verursachen. Islamfeindlichkeit, Xenophobie und Rassismus sind, so zeigt eine Befragung, die vor Sarrazins Buch gemacht wurde, durchschnittlich in Deutschland doppelt so verbreitet, wie in den anderen Nachbarländern. Wahrscheinlich dürfte diese Werte lediglich die Schweiz toppen. Mit übersteigertem Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit hat das selbstverstädnlich nix zu tun. Die Bürgerliche Gesellschaft und die „Extremist_innen“ der Mitte sind lediglich artige, christlich-jüdisch verwurzelte Rassehygieniker_innen, die lieber unter sich bleiben. Nach diesen Zahlen war es dann doch schön am Donnerstag im Dschungel einen schönen Artikel über drei schreibende Berliner_innen zu lesen, die sich jenseits der Leitkultur an ihrem sogenannten türkischen Migrantionshintergrund abarbeiten.
In dem Artikel „Jenseits der Leitkultur“ geht es um drei Autor_innen. Zum einen um Güner Yasemin Balcis Romane, die mit „Arabboy“ und „Arabqueen“ als migrantische Ghettomonarchie zusammengefaßt werden können. Die junge Sila Sönmez schrieb ein Erwachsenwerdenbuch über Sex und Fantasie. Die gibt es nämlich bei muslimischen Mädchen ebenfalls. Außerdem scheint sie gern zu provozieren, wie mensch auf dem Cover des Dschungels sehen kann. Die dritte Autorin kommt aus Charlottenburg und geht kurz vor dem Abi nach Kreuzberg. Melda Akbas reflektiert in ihrem Buch „So wie ich will die Hierarchien, die es offenbar auch in der migrantischen Community gibt. In Kreuzberg mußte sie offenbar erfahren, daß sie gar keine „Türkin“, sondern ein „Deutsche“ ist. Wahrscheinlich, weil sie so gut deutsch konnte.
Nina Scholz beschreibt die drei Berliner_innen als verschiedene Charaktere behutsam und freundlich. Islamfeindlichkeit und Deutschtümelei und chauvinistisches Labeling, die es vor einiger Zeit und immer wieder mal insbesondere in Bezug auf muslimische Menschen auch in der Jungle World zu lesen gibt, wird offensiv attackiert. Der letzte Absatz ist hierbei besonders gut getroffen.
Sila Sönmez hat Recht: Es ist wichtig, dass diese Debatte geführt wird. Und es ist noch besser, dass diese sehr unterschiedlichen Frauen sich zu Wort melden, dass sie selber reden, damit nicht nur über sie geredet werden kann. Ihre Bücher machen Hoffnung, dass Bewegung in Diskussionen kommt, die vor Vorurteilen nur so strotzen. Auch von den eigenen. Sie sind ein kleiner Hoffnungsschimmer in einem Deutschland, dass immer noch kein Einwanderungsland sein will und alles ausgrenzt, verachtet und labelt, was nicht als deutsch empfunden wird.
So schön der Artikel aber ist, es fehlt eine für mich wichtige Künstler_in, die sich jenseits ethnischer, sexueller und Genderzuweisungen bewegt, nämlich Sookee. Ich trau mich gar nicht sie nur zur Rapper_in zu machen – Sprachkünstler_in paßt mehr!
Also, neben der vermeintlichen „Vorzeige-„, der sexuelle aktiven „Schmuddeltürkin“ und der bürgerlichen, deutschsprechenden „Schummeltürkin“ fehlt bei Nina Scholz einfach die Quing Sookee. Viel Spaß beim Sprachcatch!
Wer den Text hat, bitte ergänzen!