Der Bau eines neuen „Stadtquartiers“ in Neukölln am Rande des Tempelhofer Feldes wird immer wahrscheinlicher. Vor allem, weil sich Kreuzberg strikt gegen eine Bebauung seines an den einstigen Flughafen angrenzenden Bereiches wehrt. Nun signalisierte sogar die Senatsverwaltung, auf das geplante „Columbiaquartier“ verzichten zu wollen. Die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer, hatte alles so schön geplant: Internationale Gartenausstellung 2017, neue „Stadtquartiere“ am Columbiadamm und an der Oderstraße, ein „Technik- und Innovationszentrum“ am S-Bahn-Ring. Doch die Pläne für das Tempelhofer Feld scheinen von den Betroffenen immer stärker angezweifelt zu werden.
Bei einer Anwohner_innenversammlung in der Urbanstraße am Dienstag machten die Kreuzberger Tempelhof-Anlieger_innen klar, dass sie keinen Bock auf Townhouses und Gated Communities haben, wie sie zurzeit in Berlin aus dem Boden sprießen.Doch nicht nur die Anwohner_innen, sondern sogar Lokalpolitiker_innen der Grünen, Linken und der SPD lehnen das geplante Columbiaquartier ab. Dies bekräftigten Vertreter_innen bei der schon erwähnten Versammlung.
Dies ist allerdings keine neue Entwicklung in der Kreuzberger Politik. Bereits in den letzten Monaten machten vor allem der Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) und der Bezirksstadtrat Jan Stöß (SPD) Stimmung gegen die Pläne des Senats. Sie fordern am Columbiadamm eine Gedenkstätte für das KZ Columbia-Haus und die Nutzung des Feldes für Sportanlagen. Die SPD beschloß auf ihrem Parteitag am 13. November sogar einen gemeinsamen Antrag (pdf, Seite 50) der Bezirke Tempelhof-Schönberg, Kreuzberg und Neukölln, der die Bebauung am Columbiadamm ablehnt. Damit kann Junge-Reyer die neue Siedlung wohl kaum gegen große Teile ihrer Partei durchsetzen.
Der Widerstand in Kreuzberg hat allerdings Auswirkungen auf Neukölln. Dort regt sich nur die Linke gegen eine Bebauung entlang der Oderstraße, die zur Verdrängung der derzeitig ansässigen Bevölkerung führen könnte und soll. Denn die SPD Neukölln, allen voran der bereits mehrfach in Erscheinung getretene Fritz Felgentreu, macht sich für die Bebauung stark. Und das sogar in dem gleichen Antrag an den Parteitag, indem die Bebauung am Columbiadamm abgelehnt wird:
Die vorgesehene Bebauung westlich des Schillerkiezes bietet die Chance einer sozialen Stabilisierung der Neuköllner Wohngebiete. Der neu geschaffene Wohnraum soll für breite Schichten der Bevölkerung bezahlbar sein, insbesondere aber sozialstabilisierende Bevölkerungsteile ansprechen und auch genossenschaftliche Wohnformen oder günstiges Wohneigentum für breitere Bevölkerungsschichten beinhalten. Die Wohnformen sollen insbesondere Familien ansprechen, die sonst aus sozialen Gründen Nord-Neukölln verlassen.
Noch schlimmer klingen aber die Pläne der Grünen. Auf einer Regionalkonferenz diskutierten Volker Ratzmann und Konsorten darüber, wie Neukölln im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Modell für die „sozial-ökologische Stadterneuerung“ werden könnte. Wie die aufwändige und teure energetische Sanierung mit den Belangen und finanziellen Möglichkeiten der Anwohner_innen im Bezirk zu vereinbaren sind, blieb dabei selbstverständlich offen.
Den steigenden Druck nehmen die Anwohner_innen in Neukölln aber bereits war. Bei der jüngsten Stadtteilversammlung im Schillerkiez am 15. November wurde erneut von gestiegenen Mieten, großem Andrang bei Wohnungsbesichtigungen und Verdrängung von Ansässigen berichtet. Die Immobilienfirma Tarsap etwa saniert gerade das Haus in der Lichtenrader Straße 32, aus dem die dort lebenden Künstler_innen zuvor verjagt wurden. In der Weisestraße 47 verhält sich der Besitzer auch äußerst merkwürdig und führt keine Reparaturen mehr aus, so daß es fast komplett leer steht aber immer noch hübsch gesäubert und mit der neuesten Schließtechnik verbarrikadiert wird.
In Neukölln ist derzeit vieles in Bewegung – aber nicht nur auf Vermieter_innen- bzw. Eigentümer_innern-Seite. Immer wieder werden Kiezspaziergänge veranstaltet, zuletzt in Zusammenarbeit mit Initiativen aus dem Kunger- und Reichenberger Kiez. Mit der Initiative Stadtteilgarten Schillerkiez ist auch ein Projekt beteiligt, das vom Senat für die Pioniernutzung auf dem Tempelhofer Feld ausgewählt wurde und nun die Gestaltung des Freiraums plant. Wenn es um die Zukunft von Neukölln geht, machen sich also nicht nur irgendwelche profitgeilen Immobilienfirmen oder Politiker_innen Gedanken, sondern auch diejenigen, die tatsächlich im Kiez leben und bleiben wollen.
von Mathilde Wächter
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