In Südtirol ist alles etwas anders. Deutsche sind dort sämtlichst Antifaschist_innen und kämpfen ganz nationalistisch für das Ende der „faschistischen Belagerung“ und die Befreiung von der italienischen Fremdherrschaft. Wie schon mal beschrieben geht es den deutschen Südtiroler_innen dabei weniger um einen Anschluß an Österreich, sondern die nationalistischen Antifaschist_innen sehen sich selbst als deutsche Exklave mit Jahrhunderte alter Kultur. Die Avandgarde der antifaschistischen Südtiroler_innen sind die Schützen, auch liebevoll Schuzzen genannt. Es gibt aber auch echte Antifaschist_innen in Südtirol. Und die scheren sich einen Dreck um vermeintliche ethnische und sprachliche Zugehörigkeiten. Sie demonstrierten gemeinsam mit der italienischen Veteranenorganisation der (ehemaligen) Partisan_innen A.N.P.I. und engagierten Student_innen gegen die freien Nazis.
Irgendwie erinnert mich das an die gruseligen „Vertriebenen“ und ihren Hang zum Deutschtum und vor allem die ostpreußische Gutsherrenmentalität. Deshalb fällt es mir äußerst schwer mich zu entscheiden, wer schlimmer ist – die Kulturnazis von Casa Pound, die in Bolzano aufmarschiert sind, ihre Kumpels vom Blocco Studentesco, die (Salon-) Faschist_innen von Unitalia oder die nationalistischen Schützen… Ich komme immer wieder zum Ergebnis, daß sie alle echt widerlich sind!
Aber die Schützen haben einen sehr viel größeres Sendungsbewußtsein in die bürgerliche Gesellschaft hinein. Sie spammen ihren Dreck zur Zeit in die Welt hinaus. So richtig gruselig ist aber die Musik, mit welcher ihr Videobericht zum Aufmarsch von Casa Pound unterlegt ist. Da säuselt der Sänger von irgendeiner „geliebten Heimat“, von Teilung, irgendeinem „schönem Land“, daß von irgendwem geraubt worden sein soll. Kaum auszuhalten dieser Dreck. Richtig absurd ist aber der Refrain.
Der nationalistische Schlüsselbegriffe „Völkermord“ – hier soll es ein kolonialer sein – darf in diesem Gruseltrack ebenfalls nicht fehlen. So wie in Tibet behaupten viele der Südtiroler Nationalist_innen, daß es in Norditalien einen „kulturellen Genozid“ gebe, der durch Teilung, Besatzung, einer eingebildeten Sprachdiskriminierung und durch temporäre Belagerung vollzogen wird. Fehlt nur noch die Relativierung der Shoa durch den „Germanokaust“ in Südtirol. Echt zum Kotzen!
Die Anomalie von Südtirol besteht darin, daß die Nationalist_innen dort locker Nazis und Antifaschist_innen in einem sein können. Dieses Phänomen zeigt beeindruckend, daß die „neurechte“ Theorie von einer Ethnopluralität realpolitisch immer wieder an seine Grenzen stößt. Der kulturalistische Ansatz in der Modifizierung nationalistischer und (neo-) rassistischer Kategorien ermöglicht lediglich emanzipatorische Diskurse, wie zum Beispiel über Kolonialismus, Diskriminierung und Völkermord, für sich nutzbar zu machen.
Es gibt aber auch bessere Tracks aus Südtirol. Zum Beispiel vom antifaschistischen, emanzipatorischen Rapper franckie.
Bild von der Antifa Meran