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Piazza Fontana, 12. Dezember 1969 – Strage di Stato

Am 12. Dezember 1969 explodierte vor der Geschäftsstelle der Landwirtschaftsbank an der Piazza Fontana in Mailand eine Bombe. 16 Menschen starben. Mehr als einhundert wurden verletzt. Am selben Tag detonierten zwei weitere Bomben in Rom. Dort wurden siebzehn Menschen verletzt. Die Bomben des 12. Dezember sind der Höhepunkt einer Anschlagsserie, die am 25. April, am Tag der „Befreiung vom Faschismus“, begann und eine Kampagne gegen die außerparlamentarische Linke begleitete.

Die Bombe an der Piazza Fontana in Mailand detoniert um 16:37 Uhr in der Geschäftsstelle der Banca Nazionale dell‘Agricoltura. 14 Menschen sterben sofort, zwei im Krankenhaus. Eine zweite Bombe wird in der italienischen Handelsbank an der Piazza della Scala gefunden. Sie explodiert glücklicherweise nicht. Sonst wäre ein weltweit bekanntes Symbol der italienischen Kultur betroffen gewesen und es hätte sehr viel mehr Opfer gegeben. Ein internationales Echo wäre sehr viel stärker ausgefallen.

Nur circa 20 Minuten später explodiert in Rom eine weitere Bombe in einem unterirdischen Verbindungsgang der Banca Nazionale di Lavoro, der Nationalen Arbeitsbank. Vierzehn Angestellte des Instituts werden verletzt. Wieder ungefähr eine halbe Stunde später detonieren zwei Sprengsätze von geringerer Kraft innerhalb von zehn Minuten am „Altar des Vaterlandes“ an der Piazza Venezia. Dort werden ein Carabiniere und drei Passant_innen verletzt.

Die Medien übertreffen sich in Spekulationen. Die Sicherheitsorgane, allen voran die Staatspolizei in Person von Luigi Calabresi und das Innenministerium, vertreten durch den Leiter der Abteilung für Spezielle Angelegenheiten, dem Mitglied der berühmt berüchtigten Loge „Propaganda Due“ (P2), Umberto d’Amato, bemühen sich die Anschläge anarchistischen Kreisen in die Schuhe zu schieben. Wie schon in den Monaten zuvor werden im Verlauf der Ermittlungen Dutzende bekannte Anarchist_innen, Kommunist_innen und Gewerkschafter_innen in ganz Italien, vor allem aber aus Mailand, festgenommen.

Unter ihnen ist Giuseppe „Pino“ Pinelli, das Gründungsmitglied der im Zuge der Massenverhaftungen 1968/69 neugegründeten anarchistischen Gefangenhilfsorganisation „Croce nero“ (Schwarzes Kreuz). Er wird in der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember 1969 während eines Verhörs ermordet, das der Chef der Mailänder Staatspolizei Luigi Calabresi führt. Er wird von fünf Carabinieri aus dem Fenster gestoßen! Calabresi schaut zu!

Das Massaker an der Piazza Fontana wurde von Naziterroristen der Gruppe Ordine Nuovo um Delfi Zorzi, Paolo Morin und Martino Siciliano aus Mestre durchgeführt. Strippenzieher im Ministerium war der ermittelnde Beamte Umberto D’Amato, der spätestens seit Herbst 1968 Anschläge, Übergriffe und Plakatieraktionen inszenierte um einen Linksruck in Italien zu verhindern. Ein weiterer Akteur war der Faschist Valerio Borghese, der knapp ein Jahr nach dem Massaker in Mailand zusammen mit hohen Staatsbeamten und Offizieren putscht.

Die Bombe an der Piazza Fontana war der erste Höhepunkt der „strategia della tensione“ – der Strategie der Spannung in Italien. Erst in den 90iger Jahren wurde enthüllt, was in der linken Gegenkultur relativ schnell klar war. Nämlich, daß hinter den zahlreichen Anschlägen und Attentaten faschistische Untergrundgruppen, Nazijugendorganisationen, ministeriale Staatsbeamte, Polizist_innen, Politiker_innen und Geheimdienste steckten. Keiner der Verantwortlichen wurde bis heute ernsthaft behelligt. Ganz im Gegenteil, der Mörder von Pinelli soll selig gesprochen werden. Sein Märtyrerverfahren läuft seit 2007.

Berlusconi, ebenfalls ein Mitglied von P2, kramt regelmäßig die alte „Strategie der Spannung“ heraus. Auch er und sein Netzwerk nutzen Kontakte zur faschistischen Jugend um soziale Bewegungen zu attackieren, Polizeiübergriffe zu ermöglichen und eine zunehmende Repression zu rechtfertigen.

Kein Vergessen * Kein Vergessen

Stragi di Stato nella Piazza Fontana 1969 - Staatsmassaker auf der Piazza Fontana 1969