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Selbstorganisation und soziale Intervention!

Vom 17. bis 19. Juni findet in Neukölln wieder das Festival 48h Neukölln statt. Dieses Jahr ist das Motto „Luxus Neukölln“. Achtundvierzig Highlights wurden hierzu ausgewählt und aus der breiten kapitaldevoten und staatsloyalen Kreativelite von Neukölln herausgehoben. Im Tristeza finden dagegen eine Infoveranstaltung, HipHop Konzerte und eine Filmvorführung im Rahmen von Dein Block – Mein Kiez #4 als kritische Auseinandersetzung mit den rassistischen und sozialchauvinistischen Realtitäten in Neukölln statt.

Die Inszenierung 48h Neukölln verweist beispielhaft auf einen Bezirk in Aufwertung sowie kommerzielle und politische Konzepte, die damit verknüpft sind. Eine Auseinandersetzung mit sozialer und rassistischer Verdrängung, zunehmenden Aktivitäten von Nazis in den Kiezen und der stillen Gentrifizierung, die vor allem Migrant_innen betrifft, findet nicht statt. Ganz im Gegenteil, in Zusammenarbeit mit institutionellen und kommerziellen Akteuren sowie mit vermeintlich alternativen und „linken“  Medien wie dem Freitag und der Tageszeitung wird ein Spektakel der Kreativität inszeniert, in dem marginalisierte Menschen und rassistische Ausgrenzung allerdings nicht vorkommen sollen.

Was vor Jahren mit der Zwischennutzungagentur und einem ersten Hype im Reuterkiez, der sich von Neukölln gerne abgrenzt und Kreuzkölln sein will, begann, ist längst institutionell perfektioniert worden und sorgt zur Zeit insbesondere im Schillerkiez für massiven Druck auf die Bewohner_innen. Sie werden, wie im Strategie-Papier Task Force Okerstraße des Quartiersmanagment Schillerpromenade nachzulesen ist, in Problemgruppen eingeteilt. Mit gruseligen antiziganistischen Klischees wird die Vertreibung von Sinti und Rroma gerechtfertigt. Vermeintliche Trinker_innen – gemeint sind Menschen, die nicht in einer Kneipe, einer schicken Lounge oder Szene-Bar abhängen können, sondern sich im öffentlichen Raum Raum treffen – sollen aus eben jenem verschwinden und so unsichtbar gemacht werden.

Ethnische und soziale Heterogenität ist vom Bezirksamt Neukölln unter Heinz Buschkowsky, dem Antiziganisten und Migrationsbeauftragten Arnold Mengelkoch und dem dominaten stadtpolitischen kommerziellen Akteur Brandenburgische Stadterneuerungsgesellschaft mbH (BSG), die sowohl zahlreiche Vorortbüros als Quartiersmanagment in den Kiezen als auch Imagekampagnen, wie die Aktion Karl Marx Straße, betreut, weder erwünscht noch wird sie gefördert. Das Zauberwort der Politik der Exklusion ist Überwachung, die als Konzept der „soziale Kontrollen“ immer mit einem widerlichen Bestrafungsdiskurs verknüpft ist. Renitente „Verweiger_innen“ sollen durch Entzug existenziell notwendiger Unterstützung und Maßnahmen der Sicherheitsorgane zur Kollaboration mit den staatlichen Organen gezwungen werden.

Damit verabschiedet sich das Neuköllner Bezirksamt von jeglichem sozialen Ansatz und forciert die Kommerzialisierung öffentlicher Räume und Ökonomisierung der Stadtteilpolitik. Vermeintlich sozial schwache Bezirke werden als Kreativräume inszeniert, um zahlungskräftige Investoren anzulocken. Ganz Berlin ist schon „arm, aber sexy“. Neukölln ist wahrscheinlich noch ärmer und deshalb so richtig geil.

Das Kneipen-Kollektiv Tristeza möchte in diesem Spektakel der verklärten Armut einer bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft, die Armut lediglich als ästhetischen Reiz des Morbiden und Apokalyptischen konsumiert, einen antagonistischen Akzent setzen und in einer Infoveranstaltung, HipHop Konzerten mit und dem Film Willkommen zu Hause über abgeschobene Sinti und Rroma auf den Balkan Ausgrenzungsmechnismen sowie mögliche Interventionsoptionen thematisieren.

Die Veranstaltungsreihe Dein Block – Mein Kiez beschäftigt sich in diesem Jahr bewußt zeitgleich mit dem 48h Festival mit Ausgrenzung und sozialer Kontrolle. Integra e.V., Amaro Drom e.V., die Initiative gegen Ausgrenzung und Verdrängung in Nord-Neukölln und wir werden uns am Mittwoch, den 15. Juni ab 19 Uhr, an der Info- und Diskussionveranstaltung Solidarität statt Quartiersmanagment! Gegen Ausgrenzung und soziale Kontrolle! beteiligen. Außerdem weisen wir ausdrücklich auch auf die HipHop Konzerte hin, die unter anderem mit Sookee eine super queerfeministische Sprachperformance bietet. Der Film am Sonntag ist ebenfalls sehr zu empfehlen. Insbesondere weil er die deutsche Migrations- und Flüchtlingspolitik als das darstellt, was sie ist – nämlich die institutionelle Zementierung eines genealogischen Zufalls, der zur existenziellen Exklusion führt. Also, hin!

Scheiß auf Soziale Kontrolle!
Selbstorganisation und soziale Intervention!
Luxus für alle! Mehr Solidarität und Emanzipation!